F.A.Z. Beitrag und podcast: Reisezeit als Arbeitszeit

Die Reise nach China: Der aktuelle Fall Viele Arbeitnehmer verbringen einen Teil des Tages in Bahn, Flugzeug oder PKW, um zu dienstlichen Terminen anzureisen. Ob diese Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu betrachten ist, ist oftmals unklar. Mit einem aktuellen Urteil aus Oktober hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 17.10.2018, Az.: 5 AZR 553/17, Pressemitteilung Nr. 51/18) ausgeführt, dass Reisezeiten des Arbeitnehmers grundsätzlich als vergütungspflichtige Reisezeiten zu behandeln sind. Es gab damit dem klagenden Arbeitnehmer Recht. Dieser war von seinem Arbeitgeber zur Abnahme auf eine Baustelle in den Nordosten Chinas geschickt worden. Die Reisezeiten für die An- und Abreise wollte er von seinem Arbeitgeber in vollem Umfang als Überstunden ausbezahlt haben. Vergütungsrecht und Arbeitszeitrecht Grundsätzlich ist zwischen der „vergütungsrechtlichen“ und der „arbeitszeitrechtlichen“ Arbeitszeit des Arbeitsschutzrechts zu unterscheiden werden. Bei ersterem geht es darum, für welche Zeiten der Arbeitnehmer entlohnt wird. Hier gibt es Gestaltungsspielräume für den Arbeitgeber. Letzteres bezieht sich auf die Frage, wie lange der Arbeitnehmer arbeiten darf und wann er zwingend Pausen machen oder Ruhezeiten einlegen muss. Insoweit – aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes – existieren arbeitgeberseitig hinsichtlich der Arbeitszeitregelung kaum Gestaltungsspielräume. Kriterium: Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Tätigkeit? Gerade bei Reisezeiten kommt es zudem darauf an, inwieweit der Arbeitnehmer durch die Tätigkeit beansprucht wird. Wenn der Arbeitnehmer selbst einen PKW führen muss, kann er nicht abschalten. Diese Zeit ist dann auch als Arbeitszeit zu vergüten. Nimmt der Arbeitnehmer hingegen für die Anreise die Bahn und kann während der Fahrt ein privates Buch lesen oder einen Kaffee im Bordbistro trinken, so ist die Beanspruchung des Arbeitnehmers gering. Diese Zeit zählt für Ruhepausen und Höchstarbeitszeitgrenzen nicht mit. Der Arbeitgeber kann zudem hier mit dem Arbeitnehmer Regelungen treffen, wonach diese Zeit nicht zu vergüten ist. Üblich sind auch Pauschalierungsabsprachen, wonach Tage mit kompletter Reisetätigkeit etwa pauschal mit acht Arbeitsstunden berechnet werden. Entscheidend ist hier aber auch der Einzelfall – basierend auf der Frage, was der Arbeitnehmer während der Reise macht: Liest der Arbeitnehmer etwa eine Akte in der Bahn zur Vorbereitung auf einen späteren Termin, handelt es sich klar um Arbeitszeit. Gestaltungshinweise für die Vertragsgestaltung Auch wenn die Gründe der Entscheidung noch nicht vorliegen, so lässt sich aus der Pressemitteilung des BAG und anderen Entscheidungen zu vergütungsrechtlichen Fragestellungen der jüngeren Zeit wie etwa zur Vergütung von Umkleidezeiten entnehmen, dass das Grundprinzip „Fremdnützige Tätigkeit ist zu vergüten“ gilt. Möchte der Arbeitgeber anderes regeln, ist ihm dies bei Wahrung des Mindestlohns und angemessener Ausgestaltung aber erlaubt. Wichtig ist, dass die Regelungen ausreichend klar und transparent formuliert sind. Unklare oder mehrdeutige Regelungen gehen hier zu Lasten des Arbeitgebers als dem Verwender der Regelungen. Ihr Ansprechpartner Rechtsanwalt Prof. Dr. Fuhlrott

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