Die Kündigung eines katholischen Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus stellt mutmaßlich eine Diskriminierung dar – so urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 11.9.2018 (Az.: C-68/17). Für die Kirchen bedeutet das Urteil einen erheblichen Einschnitt in ihre Autonomie. Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Fuhlrott sieht in dem Fall eine erhebliche Sprengkraft für die Kirchen und äußerte sich hierzu am 11.9.2018 u.a. in der ZDF-Nachrichtensendung Heute, für das Handelsblatt und die WirtschaftsWoche. Der Sachverhalt: Odysee durch die Gerichte Der Entscheidung lag der Fall eines bei einem kirchlichen Träger angestellten katholischen Chefarztes zu Grunde, der erneut heiratete und daraufhin gekündigt wurde. Der katholische Chefarzt wehrte sich hiergegen. Vor verschiedenen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht war er auch zunächst erfolgreich: Zwar könne die Wiederheirat eines in einem katholischen Krankenhaus angestellten Chefarztes eine Kündigung im Grundsatz rechtfertigen. Allerdings müssten auch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, so die Gerichte. Dabei wollte es das katholische Krankenhaus aber nicht belassen und legte Verfassungsbeschwerde ein: Die Gerichte hätten die kirchliche Autonomie und den Prüfungsmaßstab der Kirchen verkannt. Zurecht, wie das Bundesverfassungsgericht entschied. Das Bundesarbeitsgericht war von diesem Urteil nicht überzeugt. Es legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof vor und wollte wissen, ob die Kirche selbst verbindlich bestimmen könne, welche Anforderungen an loyales und aufrichtiges Verhalten von im Kirchendienst beschäftigten Arbeitnehmern zu verlangen seien. EuGH: Kein Freibrief für Kirchen, sondern staatliche Kontrolle Dieser entschied nun heute, dass staatliche Gerichte eigenständig prüfen müssen, ob die Einhaltung der kirchlichen Vorgaben – hier also das Befolgen der Unverbrüchlichkeit der Ehe – für die Art der Tätigkeit und ihre Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung darstellt. Dies müsse das Bundesarbeitsgericht prüfen. Beim Chefarzt scheine dies – so der Europäische Gerichtshof – aber keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung zu sein. Von diesem erwarteten Patienten vielmehr eine fachlich hohe Qualifikation als denn die Einhaltung des Eheversprechens. Die Kündigung könne daher eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen. „Für Kirchen stellt das Urteil einen erheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie dar“, so Fuhlrott. „Kirchliche Arbeitgeber werden sich künftig bei Vornahme arbeitsrechtlicher Maßnahmen die Prüfung durch staatliche Gerichte gefallen lassen müssen, ob das kanonische Recht und ihre internen Vorgaben jeweils gerechtfertigte berufliche Anforderungen sind. Damit hat das heutige Urteil sogar die potenzielle Sprengkraft, über den Bereich des Arbeitsrechts hinaus zu einer Neubewertung des Verhältnisses zwischen Europäischem Recht und nationaler Verfassung zu führen,“ meint Fuhlrott.