Ehe ist für kirchliche Arbeitnehmer keine Privatsache In der Regel ist es dem Arbeitgeber gleich, wen der Arbeitnehmer liebt oder gar heiratet. Anderes gilt aber im kirchlichen Arbeitsrecht. Die Kirche als Arbeitgeber nimmt in ihren Arbeitsverträgen auf eine Grundordnung Bezug. Nach dieser können bestimmte Verhaltensweisen, die gegen den Glaubensethos der Kirche verstoßen, eine arbeitsrechtliche Verfehlung darstellen und auch eine Kündigung rechtfertigen. Dies bekam ein in einem katholischen Krankenhaus angestellter katholischer Chefarzt am eigenen Leib zu spüren, der nach einer zivilrechtlichen Scheidung eine neue zivilrechtliche Ehe einging. Was nach weltlichem Recht kein ungewöhnlicher Vorgang ist, ist kirchenrechtlich ein Verstoß gegen das Sakrament der Ehe. Dem Chefarzt wurde daraufhin im Jahr 2009 gekündigt, wogegen er sich arbeitsrechtlich zur Wehr setzte. Odysee durch die Gerichte Der Fall ging damit nach dem Instanzenzug durch die deutschen Arbeitsgerichte bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG). Dieses gab dem Arzt Recht. Zwar dürfe die Kirche ihre Angelegenheiten selbst regeln, eine Kündigung auch bei Wiederheirat aber erst nach einer Abwägung auch unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers aussprechen. Hierdurch sahen sich die Kirchen in ihren Grundrechten beeinträchtigt und riefen nunmehr ihrerseits das Bundesverfassungsgericht an. Dieses gab der Kirche Recht, betonte die Bedeutung der Glaubensfreiheit und die besondere Stellung der Kirchen in Deutschland. Das erneut mit der Sache befasste Bundesarbeitsgericht setzte das Verfahren daraufhin aus und bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung, ob die Handhabe der Kirchen gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße. Dies bejahte der EuGH, so dass der Fall erneut – am 20.2.2019 – vor dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung anstand. BAG: Sonderrolle der Kirchen beschränkt Das BAG gab daher dem Chefarzt Recht. Für die Tätigkeit als Chefarzt sei es entscheidend, ob der Arbeitnehmer eine Abteilung leiten und medizinische Fähigkeiten aufweisen könne. Ob er das Sakrament der Ehe achte, sei für diese Tätigkeit nebensächlich – es handele sich hierbei um keine rechtmäßige, gerechtfertigte berufliche Anforderung. Künftig werden sich Kirchen gefallen lassen müssen, dass staatliche Gerichte überprüfen werden, ob für eine bestimmte Tätigkeit die kirchlichen Vorgaben eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstellen. Diese neu eingeführte Rechtmäßigkeitskontrolle ist weit mehr als die vormals vom Bundesverfassungsgericht geforderte eingeschränkte bloße Mißbrauchskontrolle. Dass die Kirchen nunmehr – wie bereits nach Absetzung des EuGH-Urteils angekündigt – erneut das Verfassungsgericht anrufen werden, ist damit sehr gut möglich. Vertiefungshinweise: Das Interview mit Prof. Dr. Fuhlrott in den Heute-Nachrichten vom 20.2.2019 finden Sie hier sowie den Beitrag im Heute Journal vom 20.2.2019 hier. Ein weiteres Interview im ZDF-Mittagsmagazin vom 20.2.2019 finden Sie hier. Den weiteren Beitrag von Prof. Dr. Michael Fuhlrott „Eine zweite Ehe ist kein Kündigungsgrund“ vom 20.2.2019 auf LegalTribuneOnline finden Sie hier.