ZEIT & Handelsblatt-Interview: Urlaub auch für Erben

EuGH sorgt erneut für Wirbel im Urlaubsrecht Erneut sorgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) für Bewegung im deutschen Urlaubsrecht. Mit vier Entscheidungen vom 6.11.2018 (Az.: C-569/16, C-570/16, C-619/16 und C-684/16) hat der EuGH die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in weiten Teilen als unionsrechtswidrig qualifiziert. Die beiden Kernaussagen aus den vier Fällen lassen sich in zwei Aussagen zusammenfassen: 1) Wenn ein Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis stirbt, können dessen Erben sich noch bestehende Urlaubsansprüche auszahlen lassen. 2 ) Wenn ein Arbeitnehmer zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses noch im Besitz von Urlaubsansprüchen ist, sind ihm diese abzugelten. Dies gilt dann, wenn der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er den Arbeitnehmer durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen. Beweispflichtig hierfür ist zudem der Arbeitgeber. Urlaub auch für Erben Den ersten beiden Entscheidungen des EuGH (Az.: C-569/16 und C-570/16) lag der Fall zweier Witwen zugrunde, deren Ehemänner im bestehenden Arbeitsverhältnis verstorben waren. Ihren Urlaubsanspruch hatten die Verstorbenen noch nicht vollständig erschöpft. Die Erbinnen machten daher die Auszahlung der noch bestehenden Urlaubsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stand dem kritisch gegenüber und wollte keinen Zahlungsanspruch zuerkennen. Es stellte sich auf dem Standpunkt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch erst beim Arbeitnehmer entstehe, wenn das Arbeitsverhältnis ende. Der Arbeitnehmer müsse also das Ende seines Arbeitsverhältnisses „überleben“, damit er einen Abgeltungsanspruch erwerbe. Geschehe dies, sei der Anspruch auch vererbbar. Erfolge die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber durch den Tod, so entstehe bereits kein Abgeltungsanspruch. Wo nichts sei, könne auch nichts vererbt werden. Der EuGH erteilte dieser Argumentation eine Abfuhr: Das Unionsrecht gebiete es, dass der Anspruch auf Urlaub nicht durch den Tod erlösche. Gleiches gelte auch für den Abgeltungsanspruch, der dann durch die Erben erworben werden müsse. Einschränkungen dieses Rechts durch Vorschriften des deutschen Erbrechts seien unionsrechtswidrig. Die Erben könnten sich insoweit zur Geltendmachung unmittelbar auf das Unionsrecht berufen. Pflicht des Arbeitgebers zur effektiven Urlaubsgewährung Mit den zwei weiteren Entscheidungen (Az.: C-619/16 und C-684/16) befasste sich der EuGH zum einen mit dem Fall eines Rechtsreferendars, der in seinem Referendariat keinen Urlaub beantragt hatte und diesen nun ausgezahlt verlangte. Zum anderen klagte ein ehemaliger Arbeitnehmer gegen die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft e.V., weil er ebenfalls bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht den ihm noch zustehenden Urlaub habe nehmen können. Der EuGH entschied hierzu, dass ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren dürfe, weil er keinen Urlaub beantragt habe. Ein Untergang des Urlaubsanspruchs dürfe nur dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber durch eine angemessene Aufklärung in die Lage versetzt worden sei, die Urlaubstage rechtzeitig zu beanspruchen. Im Zweifelsfalls müsse der Arbeitgeber beweisen, dass er hierfür ausreichende Maßnahmen getroffen habe, um dem Arbeitnehmer die Urlaubsgewährung zu ermöglichen. Vertiefungshinweise Einen vertiefenden Beitrag von Prof. Dr. Fuhlrott auf LegalTribuneOnline v. 6.11.2018 finden Sie hier. Die Pressemitteilung der Hochschule Fresenius v. 6.11.2018 mit Interview von Prof. Dr. Fuhlrott finden Sie hier. Weitere Beiträge mit Interviews von Prof. Dr. Fuhlrott finden sich etwa auf WELT.de, Handelsblatt, Hamburger Abendblatt, ZEIT oder in der Westfälischen Rundschau. Ihr Ansprechpartner Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Fuhlrott

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